Arbeitnehmer, die sich ungerechtfertigt entlassen fühlen, müssen ihrem Dienstgeber alle Rechtfertigungsgründe mitteilen.

Spricht der Arbeitgeber eine Entlassung aus, obwohl dafür kein Grund vorliegt, muss er dem Arbeitnehmer „Kündigungsentschädigung“ zahlen. Diesen Anspruch kann der Arbeitnehmer aber auch verlieren – es treffen ihn nämlich sogar bei der Entlassung besondere Aufklärungspflichten.
Ob das Dienstverhältnis durch Kündigung oder Entlassung endet, macht nicht nur einen psychologischen Unterschied: Anders als bei der Kündigung endet das Dienstverhältnis mit dem Ausspruch der Entlassung sofort. Der Arbeitnehmer erhält ab sofort kein Gehalt mehr, ebenso wenig die Abfertigung.
Nur bei Pflichtverletzung
Dafür setzt die Entlassung voraus, dass der Arbeitnehmer einen „wichtigen Grund“ setzt. Entlassen werden kann nur, wer eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt und es damit dem Arbeitgeber unzumutbar macht, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten.
Das ist etwa der Fall, wenn ein Mitarbeiter die Arbeit grundlos verweigert. Entlassungskandidat ist daher, wer heimgeht, weil er mit seinen Kollegen am Fließband streitet; oder weil ihm die private Nutzung des Dienstwagens zu Recht verboten wird. Wer hingegen grundlos entlassen wird, kann vom Arbeitgeber Schadenersatz verlangen. Er erhält jenen Betrag, der ihm im Fall einer Kündigung gebührt hätte – also eine „Kündigungsentschädigung“. Das ist im Wesentlichen das Gehalt und die Urlaubsersatzleistung bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin, sowie (nach dem alten System) die Abfertigung.
Nachgeschoben
Keine Regel ohne Ausnahme: Manche Entlassungen nehmen für den Arbeitgeber nach dem Weg durch die Gerichtsinstanzen eine erstaunliche Wende. Was anfangs wie ein Entlassungsgrund aussah, war gar keiner.
Der streitbare Kollege wird am Tag der Entlassung vom Hausarzt krank geschrieben (OGH 9 ObA 160/05b vom 20.12.2006), ebenso der autolose Mitarbeiter (OGH 9 ObA 128/06y vom 1.2.2007). Ein Fall für die Kündigungsentschädigung, würde man meinen. Aber gerade, wenn der Arbeitnehmer eine Rechtfertigung „nachschiebt“, etwa in Form einer Krankmeldung, kann ihn dies laut Entscheidung des Obersten Gerichtshofs um genau diesen Anspruch bringen.
Nach § 32 AngG (und § 1162c ABGB) kann der Richter die Kündigungsentschädigung nämlich bis auf null reduzieren, wenn den Arbeitnehmer ein Verschulden an der unberechtigten Entlassung trifft. Dazu kommt es, wenn der Arbeitnehmer den Rechtfertigungsgrund für seinen (vermeintlichen) Entlassungsgrund kennt (hier: seine Erkrankung), ihn aber dem Arbeitgeber nicht mitteilt – obwohl ihn das aller Voraussicht nach von der Entlassung abgehalten hätte.
Anderes Motiv
Der Arbeitgeber sollte sich zwar vor jeder Entlassung Gewissheit verschaffen, ob der Arbeitnehmer nicht infolge eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes von der Arbeit ferngeblieben ist. Das wird von ihm aber nicht verlangt, wenn der Arbeitnehmer ein anderes Motiv für die Arbeitsverweigerung angibt (Streit mit den Kollegen, Entzug des Dienstwagens), und dieses die Entlassung rechtfertigt. In beiden Fällen erhielten die zu Unrecht entlassenen Mitarbeiter keinen Cent Entschädigung.
Arbeitgeber sollten die Kündigungsentschädigung daher nicht ungeprüft zahlen, wenn sie guten Grund zur Entlassung hatten, und erst nachträglich die Rechtfertigung erfahren. Und wenn Arbeitnehmer ein Verhalten setzen, das für ihren Arbeitgeber wie eine Pflichtverletzung aussehen könnte, sollten sie ihm alles mitteilen, was das erklären könnte. Sie könnten sonst um ihre Ansprüche umfallen. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 31.10./1.11.2007)