Ein aktuelles OGH-Urteil zeigt, wann Unternehmen die E-Mail-Adressen ihrer Mitarbeitenden an den Betriebsrat weitergeben müssen
Das beklagte Unternehmen betreibt einen Essens-Zustelldienst unter Einsatz von Fahrradboten und Fahrradbotinnen. Mit diesen kommunizierte es grundsätzlich per E-Mail, Telefon oder einer App. Weil den Mitarbeitenden keine dienstlichen E-Mail-Adressen zur Verfügung gestellt wurden, mussten sich diese verpflichten, der Arbeitgeberin private Kontaktdaten (Telefonnummer und E-Mail-Adresse) bekannt zu geben und aktuell zu halten.
Betriebsrat in dezentralem Betrieb
Das stellte den Betriebsrat vor gewisse Herausforderungen, wenn er mit den von ihm vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kommunizieren wollte, zumal es im Betrieb auch keinen Ort gab, an dem sich das Personal regelmäßig aufhielt und ein Anschlag Sinn gemacht hätte. Die meisten starteten ihre Arbeit von zu Hause und kehrten nach getaner Arbeit auch wieder direkt dorthin zurück. Erschwerend kam hinzu, dass im Unternehmen eine hohe Fluktuation herrschte.
Der Betriebsrat versuchte zunächst außergerichtlich, vom Unternehmen Zugriff auf die privaten Kontaktdaten zu erlangen. Nur so könne er seine Aufgabe in einem dermaßen dezentral organisierten Betrieb erfüllen. Das Unternehmen bot an, E-Mails des Betriebsrats an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterzuleiten oder ihm einen wöchentlich aktualisierten E-Mail-Verteiler der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen, in dem die E-Mail-Adressen nicht ersichtlich sind. Das reichte dem Betriebsrat nicht, weshalb er Klage einbrachte. Mit ihr sollte das Unternehmen verpflichtet werden, ihm die aktuellen E-Mail-Adressen und Telefonnummern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie einen E-Mail-Verteiler zur Verfügung zu stellen.
In erster Instanz verlor der Betriebsrat, in zweiter Instanz gewann er im Wesentlichen. Der OGH gibt für den Zugriff auf E-Mail-Adressen – auch wenn das Verfahren noch fortgesetzt werden muss – im Wesentlichen grünes Licht.
Interessenvertretung braucht effiziente Kontaktmöglichkeit
Aus seiner Sicht folgt aus dem Zweck der Einrichtung des Betriebsrats als Belegschaftsorgan und seiner Ausstattung mit umfangreichen Befugnissen, dass ihm eine effiziente, den betrieblichen Gepflogenheiten entsprechende Kontaktaufnahme mit den von ihm vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht werden muss. Daher kann dem Betriebsrat nicht verwehrt werden, die der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber bekannten und von dieser zur laufenden Kommunikation mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern genutzten E-Mail-Adressen zu erfahren.
Dem steht auch das Datenschutzrecht nicht entgegen. Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung des Verhältnisses von Datenschutz- und Arbeitsverfassungsrecht. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Befugnisse des Betriebsrats durch das Datenschutzrecht nicht berührt werden. Im Bereich der Pflichtkompetenzen des Betriebsrats erübrigt sich eine datenschutzrechtliche Interessenabwägung (17.9.2014 6 ObA 1/14m).
Die proaktive Kontaktaufnahme des Betriebsrats mit den von ihm vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fällt allerdings nicht „schlechthin“ in seine Pflichtbefugnisse, weshalb hier doch die Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO zu prüfen war.
Berechtigtes Interesse nach DSGVO
Für den OGH hat der Betriebsrat ein berechtigtes Interesse am Erhalt der E-Mail-Adressen, weil er nur dann in einer effizienten, den gegenwärtigen technischen Entwicklungen entsprechenden und betriebsüblichen Form mit dem Personal kommunizieren und dadurch seine Befugnisse zweckdienlich ausüben kann. Dass die E-Mail-Adressen dafür erforderlich sind, zeigt die Tatsache, dass die Arbeitgeberin selbst primär dieses Kommunikationsmittel nutzt. Einen relevanten Eingriff in die Privatsphäre der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ein Überwiegen ihrer Interessen an der Geheimhaltung der E-Mail-Adressen sah er dabei nicht. Ein Recht auf Erhalt privater Telefonnummern verneinte er hingegen. Bei regelmäßiger Nutzung der E-Mail-Adresse ist sie auch für eine zeitnahe Kontaktaufnahme durch die Belegschaftsvertretung nicht erforderlich.
Für eine endgültige Entscheidung muss der Sachverhalt zwar noch ergänzt werden. Eine Änderung der hier zusammengefassten allgemeinen Aussagen des OGH ist aber nicht zu erwarten. (Kristina Silberbauer, 11.3.2025)