Das OLG Wien kennt keine Ausnahme: Vor der Verjährung des unionsrechtlich gesicherten Urlaubsanspruchs müssen auch diejenigen gewarnt werden, die es selbst am besten wissen sollten
Das Urlaubsgesetz (§ 4 Absatz 5) sieht vor, dass der Urlaubsanspruch nach zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres verjährt, in dem er entstanden ist. Trotzdem dürfen sich Unternehmen nicht darauf verlassen, dass der Zeitablauf allein zur Urlaubsverjährung führt. Aufgrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH 22. 9. 2022, C-120/21) kann sich der Arbeitgeber nämlich nur dann auf die Verjährung berufen, wenn er seiner Aufforderungs- und Hinweispflicht nachgekommen ist, also den Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin auf die drohende Verjährung hingewiesen und zum Urlaubsverbrauch aufgefordert hat. Je mehr Urlaubstage offen sind und je näher die Verjährung rückt, umso eindringlicher muss er dabei kommunizieren.
Kein Schutz einer Expertin?
Im vorliegenden Verfahren (OLG Wien 24.9.2024, 8 Ra 70/24h) hatte der Arbeitgeber genau diese Hinweispflicht verletzt. Über die Verjährung wurde dennoch gestritten, weil die ehemalige Mitarbeiterin nämlich als Personalverrechnerin beschäftigt und daher im Urlaubsrecht „sach- und fachkundig“ gewesen war. Aus Sicht des Unternehmens sei sie nicht schutzbedürftig. Sie musste wissen, wann ihr offener Urlaub verjährt. Recht bekam der Arbeitgeber damit nicht.
Laut Entscheidung will der EuGH verhindern, dass Arbeitnehmerinnen als typischerweise unterlegene Vertragsparteien aus Sorge um den Arbeitsplatz keinen Urlaub konsumieren und ihn wegen der Verjährung endgültig verlieren. Es soll also nicht deren mögliche Unkenntnis von der drohenden Verjährung ausgeglichen werden, sondern ihre Angst vor dem Jobverlust. Ein durchaus überzeugendes Argument, das der ehemaligen Mitarbeiterin zum Prozesserfolg verhalf. Das Unternehmen hätte sie ungeachtet ihrer Expertise zum Verbrauch ihres Urlaubsanspruchs mit Hinweis auf die drohende Verjährung auffordern müssen. (Kristina Silberbauer, 27.1.2025)