Arbeitsrecht. Burn-outs treiben oft einen Keil zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Entscheidend sind schon die ersten Wochen des Krankenstands.
von Jennifer Corazza
Die erste Krankmeldung war für zwei Wochen ausgestellt. Nach Ablauf der Frist folgte die Verlängerung. Diesmal drei Wochen, aus denen irgendwann Monate wurden. Die Rückkehr des Mitarbeiters? Unbekannt. Wie auch – eine Krankheit, ein Burn-out verläuft nicht nach Zeitplan. Nimmt keine Rücksicht auf Produktionsfristen, unterbesetzte Teams oder herausfordernde Wirtschaftsphasen. Und kann die Fronten zwischen Betroffenen und ihren Arbeitgebern verhärten.
Schlittert ein Mitarbeiter ins Burn-out, ist eigentlich klar: die Person braucht Ruhe. Muss sich, ungestört von der Arbeit, auf die Genesung fokussieren können. Und sich erst wieder gedanklich mit dem Job befassen, wenn es der Gesundheitszustand zulässt. So der „Idealfall“, der in der Praxis oft anders verläuft, weiß Rechtsanwältin Kristina Silberbauer, die ausschließlich im Arbeitsrecht berät und vertritt.
Quälende Ungewissheit
„Beim Arbeitnehmer gibt es einen Wissensvorsprung“, klärt Silberbauer auf. „Er kennt die Diagnose, weiß eher, wie es weitergeht.“ Der Arbeitgeber habe keine rechtliche Handhabe an dieses Wissen heranzukommen – erfährt lediglichmittels Krankschreibung, ob es sich um einen Arbeitsunfall, einen Krankenstand oder um eine Berufskrankheit handelt. Und, wenn sichder Arzt festlegt, die voraussichtliche Dauer des Krankenstands. Dass eine berufsbedingte Erschöpfung vorliegt, müsste der Arbeitgeber somit nie erfahren. „Es geht ihn ja schlussendlich nichts an“, sagt Silberbauer. Doch genaudas ist dieKrux. „Erfährt man, dass es sich um ein Burn-out handelt, kann man sich aus der Lebenserfahrung zusammenreimen, dass es Monate dauern wird“, sagt Silberbauer. Man könnte Aufgaben neu verteilen, sich bei Bedarf um Ersatz bemühen, das Team entlasten und aufhören, sich zu fragen:Wie lange soll ich abwarten? „Erfährt man gar nichts, ist das unerfreulich.“ Und führt manchmal dazu, dass der Arbeitgeber beginnt, die erkrankte Person zu kontaktieren. Arbeitsrechtlich ein heikles Terrain.
Verbotener Kontakt
Total verboten ist eine Kontaktaufnahme im Krankenstand nicht. Zulässig ist sie aber nur in absoluten Ausnahmefällen (wie beim Recht auf Nicht-Erreichbarkeit im Urlaub). In angemessenen Abständen dürfen außerdem ärztliche Bestätigungen verlangt werden (am besten, wenn die vorhergehende bereits abgelaufen ist). In der Kommunikation ist laut Silberbauer also „absolute Zurückhaltung“ angebracht.
Setzt sich die Firma darüber hinweg, kann das kontraproduktiv sein, weiß Markus Seper, HRProfi und Geschäftsführer der All-In-Personalberatung. „Es ist nicht zu unterschätzen, was für ein Druck auf der betroffenen Person lastet.“ Meist hätte diese ohnehin ein schlechtes Gewissen, ihr Team im Stich zu lassen. SMS, Anrufe undMails könnten das Gefühl verstärken und die Genesung verzögern.
„Das ist auch ein Thema der Planung und Organisation. Je besser man als Unternehmen organisiert ist, desto weniger wird man eine Person während des Krankenstands kontaktieren.“ Statt Druck auszuüben, rät Seper, großzügig zu sein. Die erkrankte Person um einen ungefähren Zeithorizont der Abwesenheit zu bitten und vorzuschlagen, sichnochmehr Zeit zu nehmen. „Dann gewinnt man als Arbeitgeber die notwendige Planbarkeit“, sagt er. „Wenn man die ersten ein, zwei Monate überstanden hat, ist es oft egal, ob eine Person nach sechs Monaten oder einem Jahr zurückkommt.“ Eine Herausforderung, die aber bleiben könnte, wäre die finanzielle.
Kostspielige Sache
Ein Langzeitkrankenstand kann einem Unternehmen teuer kommen (siehe Info unten). Entgeltfortzahlungen sind, je nach Dauer des Dienstverhältnisses, mehrere Wochen lang zu leisten. Der Urlaubsanspruch läuft wie gewohnt auch im Krankenstand weiter, muss somit vom Betrieb in den Bilanzen rückgestellt werden. In manchen Kollektivverträgen ist vereinbart, dass Sonderzahlungen (13. und 14. Gehalt) geleistet werden müssen, selbst wenn die betroffene Person bereits Krankengeld von der Sozialversicherung bezieht.
„Bei jedem Langzeitkrankenstand kommt irgendwann der Moment, wo man wissen will, wie es weitergeht“, sagt Silberbauer. „Etwa nach einem Jahr, wenn die Entgeltfortzahlung wieder schlagend wird und der Urlaubsanspruch sich immer weiter vermehrt.“ Ab dann wird es heikel, berichtet sie. „Weil irgendwann die Entscheidung ansteht, trennen wir uns oder trennen wir uns nicht.“
Willkommen zurück
Und trennt man sich nicht: Wie läuft die erfolgreiche Wiedereingliederung? „Das Schlechteste überhaupt ist, wenn jemand zurückkommt und sich gar nichts geändert hat“, sagt Markus Seper. „Weder an den Abläufen noch sonst wo. Dann hat die Person keine Chance.“ Als sinnvolles Instrument sieht er die gesetzlich vorgeschlagene Wiedereingliederungsteilzeit, „aber die muss richtig eingesetzt werden.“ Falsch wäre, die gleichen Aufgaben wie zuvor, nur jetzt in kürzerer Zeit aufzubürden oder der betroffenen Person zu vermitteln, dass alle für sie einspringen mussten. KristinaSilberbauer rät deshalb, sich gemeinsam ein Paket zu überlegen, was Arbeitszeiten und Aufgaben betrifft.
„Hier ist extrem wichtig, wie die Führungskraft mit dem gesamten Team kommuniziert“, ergänzt Markus Seper. Schnell könnte sich ein anderes Teammitglied benachteiligt fühlen. Er plädiert für eine offene Kommunikation, ohne die Privatsphäre des Rückkehrers zu verletzen. Und allen zu vermitteln: Gemeinsamschaffen wir das.
Entgeltfortzahlung
Anspruch: Der Arbeitnehmer hat im Krankheitsfall pro Arbeitsjahr immer eine gewisse Anzahl an Wochen Entgeltfortzahlung. Das regelt das Gesetz.
Für Angestellte mit einem aktiven Dienstverhältnis über einem Jahr sind das: acht Wochen ganzes plus vier Wochen halbes Entgelt.
Arbeitsverhältnisse laufen bei Krankenstand weiter. Man fällt nur unter Umständen aus der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers raus und bezieht stattdessen Krankengeld.
Burn-out: Was es ist und wie viele betroffen sind. Und warum es nicht als Krankheit definiert wird.
Ermüdung. Ein Begriff, der in der Arbeitswelt bekanntlich gefürchtet wird und teilweisenochals Tabuthema gilt, ist „Burnout“. Dabei können Personen unabhängig von Alter und Beruf davon betroffen sein – und das überraschend häufig. Etwa zehn Prozent der Erwerbsbevölkerung in Österreich sind laut der AK Steiermark von Burn-out betroffen. Rund 16 Prozent gelten als akut gefährdet.
Aber was genau versteht man unter Burnout? „Die Fachwelt ist sich nicht ganz einig“, antwortet das Gesundheitsministerium. In der internationalen Klassifikation von Krankheiten wird es unter „Probleme, verbunden mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ als „Ausgebranntsein“ angeführt.
Einfach gesagt, handelt es sich um eine Erschöpfung durch Überlastung, aufgrund beruflicher oder privater Tätigkeiten. Das macht Burnout weniger zu einer Krankheit, mehr zu einem „Syndrom mit verschiedenen Beschwerden“. Ärzte werten Burn-out deswegen als Nebendiagnose. Hauptdiagnosewäre etwa eine psychische Erkrankung, wie Depression.