Unklare Rechtslage bei Ausbildungskosten: Wer zahlt am Ende?

Neue AVRAG-Regelungen werfen Fragen zur Rückforderung von Ausbildungskosten auf. Erste Lehrmeinungen geben Hinweise, aber es bleibt Rechtsunsicherheit

Im März 2024 wurde das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz („AVRAG“) novelliert. Unter anderem gilt seitdem die Regel, dass Unternehmen ihren Arbeitnehmerinnen bestimmte Aus-, Fort- oder Weiterbildungen ermöglichen müssen. Zum einen müssen sie die Kosten tragen (außer es übernimmt sie ein Dritter, etwa das AMS), zum anderen die Teilnahme als Arbeitszeit werten. Das gilt immer dann, wenn die Aus-, Fort- oder Weiterbildung Voraussetzung für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit ist, weil das durch Gesetz, Verordnung, kollektive Rechtsgestaltung oder aufgrund des Arbeitsvertrags so vorgesehen ist (§ 11b Abs. 1 AVRAG).

Wenig erstaunlich dürfen gemäß Absatz 2 für Mitarbeitende günstigere Vereinbarungen geschlossen werden, nicht aber schlechtere: § 16 AVRAG verbietet es nämlich, den Anspruch auf die kostenlose Aus-, Fort- oder Weiterbildung aufzuheben oder zu beschränken.

Verhältnis zu Ausbildungskostenrückersatz

Deutlich länger gilt § 2d AVRAG, der regelt, wann sich Arbeitnehmerinnen wirksam zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichten können. Derartige Vereinbarungen über den Ausbildungskostenrückersatz werden in der Praxis häufig geschlossen und führen im Ergebnis dazu, dass Arbeitnehmerinnen vor allem bei Selbstkündigung in den ersten Jahren nach der Ausbildung zumindest Teile der Kosten und sogar des während der Ausbildung erhaltenen Gehalts zurückzahlen müssen.

Schweigen im Gesetz

Die naheliegende Frage, ob nun solche Vereinbarungen im Bereich der Aus-, Fort- oder Weiterbildungen im Sinne des § 11b AVRAG noch möglich sind, regelt das neue Gesetz nicht. Auch die Materialien geben dazu nichts her. Umso rascher hat sich in der Lehre bislang eine Ansicht durchgesetzt, die sich nun auch in einer – allerdings freilich nicht verbindlichen! – Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft niederschlägt.

Noch nicht verbindliche Rechtsmeinungen

Trotz der neuen gesetzlichen Kostentragungspflicht zulasten der Unternehmer seien weiterhin Vereinbarungen zulässig, die Mitarbeitende zur nachträglichen Rückzahlung von Kosten (und Gehalt) verpflichten. Die Begründungen der Juristinnen sind vielfältig: Das sei kein Widerspruch, weil die Rückersatzvereinbarung nicht das aufrechte Arbeitsverhältnis, sondern die Zeit danach betreffe. § 11b AVRAG regle also nur, wer die Kosten zunächst tragen müsse, aber nicht, ob sie später der oder die andere zurückzuzahlen habe. Schließlich wird auch argumentiert, dem neuen Gesetz gehe es nur darum, unqualifizierte Arbeit zu verhindern (nicht aber Arbeitnehmende von der finanziellen Belastung zu schützen).

Ebenso gut lässt sich freilich die gegenteilige Ansicht vertreten: Wenn jemand laut Gesetz bestimmte Kosten zu tragen hat und für ihn günstigere Vereinbarungen gesetzlich explizit ausgeschlossen sind, dann ist das eindeutig, nämlich endgültig.

Umgang mit der Rechtsunsicherheit

Was stimmt, werden wir nach Vorliegen oberstgerichtlicher Judikatur wissen. Bis dahin gilt es, mit der Rechtsunsicherheit klug umzugehen: Unternehmen sollten sich auf zum Teil unangemessen überzeugte Fachmeinungen nicht unbedingt verlassen, sondern für den nicht auszuschließenden Fall finanzielle Vorsorge treffen, dass ihre Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen im Anwendungsbereich des § 11b AVRAG nicht halten.

Zu erwägen wäre auch, Personal vorzuziehen, das die erforderliche Ausbildung schon mitbringt – womit des Gesetz das Gegenteil dessen erreicht, was es (wohl) bezweckte. Arbeitnehmende, die eine solche Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung unterschreiben und später zur Kassa gebeten werden, sollten im Hinterkopf behalten, dass ihre Verpflichtung, die Kosten teilweise zurückzubezahlen, nicht gesichert ist, und vorher rechtlichen Rat einholen.

Alles in allem eine unerfreuliche Rechtslage. Von einem modernen Gesetz wäre zu erwarten gewesen, dass es Anwenderinnen und Anwender ohne Fragezeichen zurücklässt. (Kristina Silberbauer, 21.10.2024)

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2024-10-22T09:14:21+02:00Oktober 22, 2024|Allgemein|