Wer einer Gewerkschaft beitritt, eine Betriebsversammlung einberuft oder bestimmte Ansprüche geltend macht, darf deshalb nicht gekündigt werden. Solche Motive (und einige andere) sind „verpönt“, sodass die Kündigung bei Gericht angefochten werden kann. Dennoch ist nicht jede Kündigung, die drohenden Konflikten zuvorkommen will, unzulässig.

Der Fall der Lkw-Fahrer

Ein Unternehmen hatte vor, seinen Fuhrpark effizienter zu gestalten und die Überstunden der Fahrer zu verringern. Dabei fielen die drei klagenden Lkw-Fahrer unangenehm auf. Sie hatten die höchsten Überstunden produziert; teilweise nur, weil sie die Arbeitsvorgänge in die Länge zogen. Außerdem hatten sie eigenmächtig die höchstzulässige Arbeitszeit überschritten und verbotenerweise Alkohol konsumiert.

Die geplanten Maßnahmen bedeuteten für die drei Lkw-Fahrer, dass sich ihr Einkommen um 300 bis 400 Euro monatlich verringern würde. Sie planten daher, einen Betriebsrat zu gründen, und äußerten gegenüber dem Geschäftsführer heftige Kritik. Dabei traten sie als Sprachrohr der Belegschaft auf.

Gewerkschaftsbeitritt

Als Reaktion bereitete die Geschäftsführung daher die Beendigung der Dienstverhältnisse vor. Etwa zeitgleich nahmen die Lkw-Fahrer Kontakt mit der Gewerkschaft auf und traten ihr als Mitglieder bei. Ihre Vorgesetzten informierten sie davon aber nicht.

Erst nachdem der Geschäftsführer die Kündigungsschreiben entworfen hatte, erfuhr er, dass eine Betriebsversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „Wahl des Wahlvorstandes“ und der Kundgebung der Betriebsratswahl geplant war. Ihm war nicht bekannt oder erkennbar, dass die Kritik der Kläger in irgendeinem Bezug zu einer (organisierten) gewerkschaftlichen Tätigkeit stehe.

Bis zum OGH (28.7.2021, 9 ObA 57/21d) wurde darüber gestritten, ob ihre Kündigung aus einem verpönten Motiv, insbesondere wegen des Gewerkschaftsbeitritts oder der Bewerbung um eine Mitgliedschaft zum Betriebsrat, erfolgt war.

Schutz bei aktiver gewerkschaftlicher Tätigkeit

Der OGH bejahte zwar den Kündigungsschutz von Arbeitnehmern, die allgemeine gewerkschaftliche Ziele in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft verfolgen. Dieser Schutz setzt aber voraus, dass ihre Aktivitäten nach außen hin als aktive gewerkschaftliche Tätigkeit erkennbar sind. Das war hier aber nicht der Fall: Der Geschäftsführer entschied sich zur Kündigung, als ihm immer klarer wurde, dass es mit diesen Fahrern in Zukunft Probleme bei der Zusammenarbeit und bei der Umsetzung weiterer notwendiger Maßnahmen geben würde. Ihre – ihm nicht bekannte – gewerkschaftliche Tätigkeit war hingegen nach den Beweisergebnissen nicht das Kündigungsmotiv.

Kein Schutz der „Gewerkschaftsidee“

Die Lkw-Fahrer argumentierten, es müsse für ihren Kündigungsschutz reichen, dass dem Geschäftsführer ihre „Gewerkschaftsidee“, nämlich das gemeinsame Durchsetzen arbeitsrechtlicher Forderungen, erkennbar war. Auch Arbeitnehmer, die sich aus ideellen Gründen für andere einsetzten, müssten geschützt sein. Damit überzeugten sie das Höchstgericht aber nicht. (Kristina Silberbauer, 12.10.2021)

https://www.derstandard.at/story/2000130284216/kein-kuendigungsschutz-fuer-verfechter-der-gewerkschaftsidee