Eine aktuelle OGH-Entscheidung stellt klar: Massenkündigungen können schon dann vorliegen, wenn zu vielen Arbeitnehmern die einvernehmliche Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses angeboten wird. Es droht die Unwirksamkeit der Beendigungen samt Pflicht Entgelte nachzuzahlen.
Massenkündigungen / Frühwarnsystem
Dass gemäß § 45a AMFG sog. Massenkündigungen vorab dem Arbeitsmarktservice gemeldet werden müssen, widrigenfalls sie unwirksam sind, ist hinlänglich bekannt: Maßgeblich ist, ob der dort – von der Anzahl der Arbeitnehmer abhängige – Schwellenwert durch Arbeitgeberkündigungen überschritten wird. Es werden jene Kündigungen zusammen gezählt, die innerhalb von 30 Tagen erfolgen. Ausschlaggebend ist der Ausspruch der Kündigung, nicht das Ende der Verträge. Durch einvernehmliche Auflösungen lässt sich das System nicht umgehen, denn sie zählen mit (wenn sie vom Arbeitgeber ausgehen). In der Praxis werden die Kündigungen bzw. einvernehmlichen Auflösungen oft so gestreckt, dass innerhalb von 30 Tagen der Schwellwert nicht überschritten wird. Wer glaubt, dass es bei den Einvernehmlichen auf das Datum der Unterzeichnung ankommt irrt. Und das kann teuer werden.
Tag des Angebots maßgeblich
In seiner Entscheidung vom 25.04.2018 (9 ObA 119/17s) entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) nämlich, dass es nicht das Datum der Vertragsabschlüsse ist, das zählt, sondern der Tag, an dem den Arbeitnehmern die einvernehmliche Auflösung angeboten wurde (wenn bei Ablehnung die Kündigung klar war). Es kommt nämlich darauf an, wann sich die Absicht des Arbeitgebers, Arbeitsverhältnisse aufzulösen, manifestiert.
Nachzahlungsrisiko
Das führte in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass ein in 2014 (vermeintlich) beendetes Dienstverhältnis durch Urteil aus 2018 für durchgehend fortbestehend erklärt wurde. Was das an Nachzahlungskosten verursacht hat, geht aus dem Urteil nicht hervor. Man kann für den Arbeitgeber nur hoffen, dass er möglichst bald nach der misslungenen Kündigung eine weitere, formvollendete (Eventual-) Kündigung ausgesprochen hat.
Was heißt das konkret in Zahlen und Daten?
Wer eine Massenkündigung durchführen muss und im Vorfeld einvernehmliche Auflösungen (anstelle von Kündigungen) anbieten möchte, darf bei der Berechnung des Schwellwerts nicht von jenem Datum ausgehen, an dem die Einvernehmliche unterschrieben wird, oder alternativ die Kündigung ausgesprochen wurde, sondern vom Datum des Angebots:
Im entschiedenen Fall wurden gleichzeitig sechs Mitarbeitern Angebote für eine einvernehmliche Auflösung unterbreitet; der Schwellwert lag aber bei unter sechs. Der Kläger nahm das Angebot nicht an und wurde später gekündigt. Diese Kündigung war rechtsunwirksam.
Kristina Silberbauer, Rechtsanwältin für Arbeitsrecht