Immer wieder spannend ist die Frage, ob ein Unternehmen, das mehr als ein Gewerbe ausübt, den richtigen Kollektivvertrag anwendet. Immerhin entscheidet der über maßgebliche arbeitsrechtliche Themen wie die Höhe der Entgelte, die Normalarbeitszeit sowie „goodies“ wie Jubiläumsgelder.

Die gesetzliche Regel für diesen Fall lautet:
Verfügt ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe, so findet auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung (§ 9 Absatz 1 Arbeitsverfassungsgesetz).
Liegt eine organisatorische Trennung in Haupt- und Nebenbetriebe oder eine organisatorische Abgrenzung in Betriebsabteilungen hingegen nicht vor, so findet jener Kollektivvertrag Anwendung, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat; durch Betriebsvereinbarung kann festgestellt werden, welcher fachliche Wirtschaftsbereich für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat (§ 9 Absatz 3 ArbVG).
 
Kollektivvertrag und organisatorische Trennung
Wenn weder eine organisatorische Trennung, noch eine organisatorische Abgrenzung noch ein maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung eines fachlichen Wirtschaftsbereiches vorliegt, so findet der Kollektivvertrag jenes fachlichen Wirtschaftsbereiches Anwendung, dessen Geltungsbereich die größere Anzahl von Arbeitnehmern erfasst (§ 9 Absatz 4 ArbVG).
In der Praxis häufig ist der zweite Fall: Mehrere Gewerbe werden im selben Betrieb ausgeübt, ohne dass es eine organisatorische Trennung gibt („Mischbetrieb“).
Daher stellt sich bei der Suche nach dem richtigen Kollektivvertrag immer wieder die Frage: Was ist mit den Begriffen „maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung“ im Arbeitsverfassungsgesetz gemeint?
 
Maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung im „Mischbetrieb“
Die aktuelle OGH-Entscheidung hilft weiter: Auch hier (29.4.2014, 9 ObA 40/14v) war die Zuordnung nicht eindeutig: Das Unternehmen war auf Wartungs- und Reinigungsarbeiten an Lüftungsanlagen, Klimaanlagen und Einkaufswagen spezialisiert. Die Tätigkeit selbst war einheitlich, zusammengesetzt aus Wartung und Reinigung. Das Ziel war weniger die Reinigung, als die technische Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der gewarteten Geräte.
Somit stellte sich die Frage, ob der Kollektivvertrag für Arbeiter im Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigungsgewerbe oder jener für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe zur Anwendung gelangt.
Für Belange des Kollektivvertrags kommt es darauf an, welcher Fachbereich dem Betrieb das „Gepräge“ gibt, welcher Fachbereich also für den Betrieb ausschlaggebend ist. Dabei kommt es nicht nur auf einen einzelnen Aspekt, wie etwa Umsatz, Gewinn, Betriebsmitteleinsatz, Ertragskomponenten, Zahl der Arbeitnehmer oder Zusammensetzung des Kundenkreises an. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, in die auch die wirtschaftliche Funktion des einen Fachbereichs für den anderen Fachbereich einzubeziehen ist. Der Auftritt des Unternehmens nach außen kann ein weiteres Indiz sein.
Für das OLG Linz, dem der OGH folgte, war daher maßgeblich, dass die technische Komponente (technische Überprüfung, technische und mechanische Austausch- und Reparaturtätigkeiten) im Vordergrund steht. Dass mehr Zeit mit Reinigungstätigkeiten verbracht wird, und mit ihnen auch mehr Umsatz erzielt wird, war hingegen nebensächlich: Es kommt auf die Gesamtbetrachtung an.
 
Falscher Kollektivvertrag – hohe Risken
Wer den falschen Kollektivvertrag anwendet, riskiert einiges: Möglicherweise leistet er mehr, als er als Arbeitgeber müsste, und kann das – weil schon eine Betriebsübung entstanden ist – nicht mehr so einfach abstellen. Oder aber er unterschreitet die Mindestansätze des tatsächlich anwendbaren Kollektivvertrags. Dann drohen Klagen und Forderungen diverser Behörden. Es zahlt sich also aus, sich mit der Frage, welcher Kollektivvertrag der wirklich richtige ist, auseinander zu setzen.
OGH 29.4.2014, 9 ObA 40/14v
 
RA Mag. Kristina Silberbauer