OGH urteilt zugunsten von Eltern mit kleinen Kindern
Auch wenn die Abfertigung ein Auslaufmodell ist – an ihre Stelle tritt bei Dienstverhältnissen ab 2003 die betriebliche Altersvorsorge -, rechnen immer noch viele Dienstnehmer mit ihr. Voraussetzung ist eine dreijährige Beschäftigung; bestimmte Arten der Beendigung beseitigen den Anspruch (z. B. Entlassung). Die Höhe der Abfertigung hängt vom letzten Monatsgehalt ab. Daher verringert sie sich bei Umstieg von Voll- auf Teilzeitbeschäftigung – oft um mehrere tausend Euro.
Nicht hinnehmen wollten diesen Nachteil zwei Teilzeitbeschäftigte: Sie kämpften um die Differenz auf jene Abfertigung, die ihnen bei Vollzeitbeschäftigung gebührt hätte (OGH 29. 6. 2005 9 ObA 6/05f, 30. 9. 2005 9 ObA 65/05g). Sie stützten sich auf §14 Abs 4 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), der trotz Teilzeitvereinbarung eine höhere Abfertigung vorsieht, wenn der Arbeitnehmer „seiner nicht nur vorübergehenden Betreuungspflicht“ von nahen Angehörigen nachkommt. Da die Klägerinnen aber niemanden pflegten, wies der OGH ihre Klage ab: §14 Abs 4 AVRAG regelt nur den Fall der familiären Betreuung besonders; nicht allen Teilzeitbeschäftigten gebührt die höhere Abfertigung.
Fast hätten Teilzeitkräfte die Hoffnung aufgegeben, dass aus §14 AVRAG etwas für sie zu gewinnen ist – da lässt eine neue Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (9 ObA 38/06p vom 12. 7. 2006) aufhorchen: Eine Mutter ohne Anspruch auf gesetzliche Elternteilzeit reduziert ihre Arbeitszeit, um mehr Zeit mit ihrem damals zweieinhalbjährigen Kind zu verbringen. Da sie ihre mütterliche Pflicht erfülle, gelte §14 Abs 4 AVRAG für sie.
Nein des Arbeitgebers
Dagegen der Arbeitgeber: Das Kind sei gesund, eine außergewöhnliche Lebenssituation im Sinne des §14 AVRAG liege nicht vor. Außerdem gebe es ganztägige Betreuungsstätten.
Der OGH sprach der Mutter die höhere Abfertigung zu: Wer zur Kinderbetreuung verpflichtet ist, kann sich auf §14 Abs 4 AVRAG berufen – auch wenn das Kind gesund und externe Betreuung möglich ist. Dagegen spricht auch nicht §23 Abs 8 AngG, der Eltern in gesetzlicher Elternteilzeit (z. B. gemäß Mutterschutzgesetz) die höhere Abfertigung sichert; schließlich gibt es zahlreiche Varianten der Kinderbetreuung, die keine Elternteilzeit darstellen: So können Großeltern von Waisen keine Elternteilzeit beanspruchen, ihnen verschafft §23 Abs 8 AngG daher kein Recht auf höhere Abfertigung. Solchen Großeltern gebührt aber laut OGH die höhere Abfertigung gemäß §14 Abs 4 AVRAG ebenso wie der Klägerin.
Das Urteil hilft jenen Teilzeitkräften, die – ohne gesetzliche Elternteilzeit zu beanspruchen – für ihre Kinder oder andere nahe Verwandte sorgen. Das kann ein Elternteil sein, dessen Partner in Karenz ist, der vom Kind getrennt lebt und auch keine Obsorge hat, oder für dasselbe Kind zum zweiten Mal seine Arbeitszeit reduziert (nachdem er wieder Vollzeit arbeitete). Wichtig ist, dass der Arbeitgeber das Motiv für den Teilzeitwunsch erfährt. Ob auch die Betreuung älterer Kinder zur höheren Abfertigung führt, bleibt offen: der OGH hat das vorläufig nur für bis zu 7-Jährige bejaht. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2006)